Mann mit Pfeife und Hut. Könnte ein Gärtner sein oder ein Winzer. Ist aber Maler. Oder genauer: eine Huldigung an einen Maler. Ernst Ludwig Kirchner im Stil von Vincent van Gogh. Es ist sein erstes gemaltes Selbstporträt. Ein paar grafische Studien seines Charakterkopfs gab es schon zuvor. Aber so expressiv grünblau umflort macht der Künstlerteint erst recht was her.
Die programmatische Ausrufung der Künstlergruppe „Brücke“, zu der sich die vier Dresdener Architekturstudenten Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl zusammentaten, lag schon zwei Jahre zurück. Jetzt, 1907, war durchaus Grund, selbstbewusst aufzutreten, sich einzureihen in die Galerie der zeitgenössischen Künstlerhelden.
Zumal die jungen Herren bei ihrer Selbstermächtigung zur Kunst in einer Welt der „wohlangesessenen älteren Kräfte“ das hohe Wagnis der „Arm- und Lebensfreiheit“ eingehen wollten, wie sie es in ihrem hallenden Manifest versprochen hatten. Tatsächlich ging es dem Quartett um den Anspruch einer Freiheit und die Behauptung einer Unabhängigkeit, die sich geradeso radikal ausnimmt wie die künstlerischen Mittel, in denen sich Freiheit und Unabhängigkeit versinnlichen sollten.
Gerade die Dresdener Epoche, jene kurze, intensive Zeit von der Gründung bis zur Auflösung der „Brücke“ 1912/13, ist zumal im Werk von Ernst Ludwig Kirchner gekennzeichnet von den Expressionen kompromissloser Lebensunmittelbarkeit. Und wenn auch mancher revolutionäre Gestus bald im Stil erstarren sollte, dann vermischt sich das Ungestüm von Strich und Farbe doch mit der antibürgerlichen Dynamik, in der nicht nur Künstlerkarrieren vorbereitet, sondern auch die Nackt-Sessions mit den minderjährigen Aktmodellen genossen wurden.
Kirchners Vincent-van-Gogh-Phase dauerte nicht lange, aber sie war heftiger als bei seinen Freunden. Im November 1905 hatte die rührige Dresdener Galerie Ernst Arnold in einer großen Ausstellung über 50 Gemälde des gerade 15 Jahre zuvor verstorbenen Malers gezeigt. Unter anderem eines seiner Selbstbildnisse mit Pfeife und Strohhut. Es muss in seiner Farblichtheit großen Eindruck gemacht haben. Und die Tragik der Künstlerexistenz, die es zum Ausdruck bringt, passte nicht schlecht zum Selbstbild der „Brücke“, die ihre Kunst nicht anders als im Widerstand gegen eine bornierte Umwelt sehen konnte.
Freilich ist von Vincent van Goghs tief depressiver Selbstbespiegelung nichts geblieben. Ebenso selbstbewusst wie selbstzufrieden schaut der Maler Kirchner, der auch Gärtner oder Winzer sein könnte, aus seinem Bild. Und so wie man ihn kennt, hat es gar nicht ausbleiben können, dass er und seine „Brücke“-Mitstreiter später jeglichen Van-Gogh-Einfluss geleugnet haben. „In der Zeit, in der wir unsere Vorstöße in neue Gebiete der Malerei machten“, erinnerte sich der greise Erich Heckel, „haben wir wirklich keine Bilder der ‚Fauves‘ gesehen.“
Und Karl Schmidt-Rottluff springt fürsorglich bei: „Um die Zeit, da die ‚Brücke‘ gegründet worden ist, hatten wir herzlich wenig Ahnung, was vielleicht in Frankreich und anderswo vorging …“. Und Ernst Ludwig Kirchner wurde regelrecht zornig, wenn man ihn nach seiner frühen Orientierung befragte. Mit seinem erfundenen Kritiker, unter dessen Namen Louis de Marsalle er verständnisinnige Texte über sein eigenes Werk veröffentlicht hat, hoffe er, beweisen zu können, „dass meine Arbeit unabhängig und rein von der zeitgenössischen französischen Kunst entstand“.
Im Werkkatalog der Kirchner-Kunst wird als Erstbesitzer des Gemäldes „Mann mit Pfeife und Hut“ der Kollege Karl Schmidt-Rottluff angegeben. Später taucht das Bild in der Sammlung von Hugo Simon auf, Privatbankier in der Weimarer Republik, der 1933 aus Berlin floh und sich in Paris an der Organisation der Widerstandsbewegung beteiligte. In dieser Zeit muss das Selbstbildnis in die Vereinigten Staaten von Amerika gekommen sein. Der Katalog-Autor Donald Gordon verzeichnet dann 1968 als damals aktuelle Besitzerin „Frau Robert Windfohr, Fort Worth“. Nach den Recherchen des Auktionshauses Sotheby’s ist das Gemälde aus dem Frühwerk Kirchners zuletzt 1981 auf dem Markt gewesen.
Jetzt wurde es unter dem Titel „Selbstporträt mit Pfeife“ beim Auktionshaus Sotheby’s in London angeboten. Aufgerufen bei fünf Millionen Pfund fiel der Hammer aber bereits bei 5,8 Millionen Pfund, nicht einmal in der Nähe des unteren Schätzpreises. Taxiert auf acht bis zwölf Millionen Pfund, ging das Bild wohl auch unterhalb des Limits zurück.
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