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John Cheever - Erzählen als Offenbarung

Er gehört zu den großen amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Dem 1982 verstorbenen John Cheever gelang es, in alltäglichen Begebenheiten die Seelen seiner Mittelstandshelden offenzulegen. „Ach, dieses Paradies“ war sein letzter Roman.

Von Ulrich Rüdenauer

Plastiktüten (picture alliance / dpa /Patrick Pleul)
Rund um einen zur Mülldeponie mutierten Teich spielt John Cheevers letzter Roman (picture alliance / dpa /Patrick Pleul)

Obwohl John Cheever in seinem schmalen Roman „Ach, dieses Paradies“ eine fast alltägliche Geschichte erzählt und wir dieser Geschichte auch bereitwillig folgen, erzählt er sie doch in lauter seltsam verbundenen Episoden. Als würde er Puzzleteile zusammensetzen, die nie ganz genau ineinander passen und doch überraschenderweise genau zusammengehören. Wenn man am Ende das fertige Puzzle betrachtet, kann man zwar ein Bild erkennen, aber doch mit kleinen feinen Rissen. Das wirkt ein bisschen wie ein altes Gemälde, das man von Nahem ansieht und bei dem einem die abbröckelnden Farbschichten deutlicher ins Auge stechen als das, was sie an Konkretem zu zeigen vorgeben. Aber erst die Farben und ihr Zusammenspiel erzeugen den eigentlichen Effekt.

John Cheever wird wiederentdeckt. Vielleicht gerade, weil es diese merkwürdigen und doch träumerisch sicheren Übergänge in seiner Prosa gibt, die von den heute bewunderten amerikanischen Erzählern meist zu perfekt abgeschliffen oder übermalt sind. Peter Handke nennt diese Cheever'schen Übergänge „zwanglos“, „gleitend“, „hingeatmet“, ein Teil der epischen Wirkung gehe von ihnen aus. Was Handke damit meint, lässt sich zum Glück in gelungenen Neuübersetzungen nachempfinden: Im DuMont Verlag sind in den letzten Jahren seine Romane und Erzählungen erschienen, man konnte sich von der Kunst Cheevers neuerlich überzeugen. Nun liegt das in seinem Todesjahr 1982 veröffentlichte Alterswerk „Ach, dieses Paradies“ in der Übersetzung von Thomas Gunkel vor. Es ist durchaus ein etwas befremdliches Buch, das zunächst eilig zusammengeschustert erscheint, so, als hätte Cheever seine ureigenen Themen mit der Naturschutz-Problematik verbunden, um Aktualität zu suggerieren. Aber der erste Eindruck täuscht. Bei Cheever geht es um mehr, es geht immer ums Ganze.

Eine kommunale Schauergeschichte

„Dies ist eine Geschichte, die sich vortrefflich als Bettlektüre für eine Regennacht in einem alten Haus eignet.“

So beginnt dieser Roman, der auf gewisse Weise eine Schauergeschichte ist, eine Erzählung auch über Moral und die Liebe und über das Älterwerden und was dieses mit den Erinnerungen anstellt. Lemuel Sears heißt die Figur in Cheevers Roman, dem wir zuerst begegnen, der uns ins Zentrum des Buches führt, auch wenn er selbst aus diesem immer wieder hinausgleitet. Sears ist ein alter, wohlhabender Mann, aber „noch nicht gebrechlich“. Der New Yorker besucht seine Tochter, die in einem kleinen Städtchen in Connecticut lebt. Er hat seine Schlittschuhe dabei und läuft damit wie seit je auf dem gefrorenen Teich Beasley's Pond – Gemälde alter Meister kommen ihm dabei in den Sinn.

„Als Sears zwei, drei Wochen später mit seinen Schlittschuhen wiederkam, musste er feststellen, dass das Eis geschmolzen war und der Beasley Pond als Müllkippe diente. Das war ein schwerer Schlag. Fast ein Drittel des Teichs war schon verschandelt, zu seiner Rechten sah er das Gerippe eines zehn Jahre alten Autos und davor einen Hundekadaver. Er dachte, das Herz müsse ihm brechen.“

Sears beauftragt einen Anwalt, die Zerstörung des Ortes zu untersuchen. Als dieser ermordet wird, schaltet er einen Umweltaktivisten namens Horace Chisholm ein. Es offenbart sich, dass windige Geschäftsleute den Ort zur Mülldeponie umgewandelt haben, Mafia-Interessen und korrupte Politik in unheiliger Allianz. Eine Vorortsiedlung gerät ins Blickfeld, zwei Nachbarsfamilien – die eine involviert in die Machenschaften um die Deponie, die andere interessiert an der Rettung des Teiches. Betsy, die Hausfrau, greift sogar zu drastischen Mitteln, um die kommunale Politik aufzurütteln. Zwischenzeitlich hat Sears die Bekanntschaft einer launischen Frau gemacht, die er begehrt und die ihm doch deutlich zu verstehen gibt, dass er einer anderen Zeit angehört, dass sie ihn gar nicht braucht. Diese Renée, die ihre Abende in verschiedenen Gemeindehäusern verbringt und angeblich Buchhaltungskurse belegt, bleibt so rätselhaft wie die meisten Figuren in diesem Buch: Cheever zeichnet sie kurz hin, gibt ihnen Umrisse, aber doch keine rechte Gestalt. Man blickt wie durch ein Milchglas auf die Charaktere – man erkennt vieles, durchschaut es aber nicht. Dazu gehört auch jener irritierende Moment, als Sears, der seine Freundin besuchen möchte und vor verschlossener Tür steht, sich plötzlich mit dem Fahrstuhlführer des Hauses in einer pikanten Situation wiederfindet.

„Der Fremde, dessen Namen er nicht kannte, nahm Sears mit nach unten in eine kleine Kammer hinter der Eingangshalle, wo er ihn und sich selbst entkleidete. Als Nächstes begab sich Sears natürlich zu einem Psychiater.“

Schwebe Übergänge

Cheever erzählt das mit einer irritierenden Klarheit. Was hier passiert – ein Mann, der ein Leben lang jungen Frauen nachjagte, lässt sich nun auf ein Techtelmechtel mit dem Liftboy ein –, ist ungewöhnlich. Cheever konzediert es, wie vieles andere in diesem Roman ebenfalls einfach vor uns hingestellt wird, er erzählt mit großer Selbstverständlichkeit. Etwa die Szene, als Betsy und ihr Mann beim Halt am Highway-Straßenrand ihr Baby vergessen. Ausgerechnet der Umweltaktivist Horace, ein vom Leben Verwundeter, findet es wieder und bringt es den Eltern zurück. Wundersam erscheint das in seinem Realismus, und das Realistische erscheint höchst wunderlich. Diese schwebenden Übergänge auch sind es, die Cheevers Roman Reiz und Suggestionskraft verleihen.

Das verlorene Paradies wird am Ende in einer Gerichtsverhandlung zurückerobert, aber der Sieg ist wohl doch nur ein vermeintlicher. Der Kampf um Beasley's Pond ist nämlich eigentlich ein aussichtsloser Kampf um die eigene Erinnerung und gegen die eigene Verlorenheit. Wer etwas erhalten will, die Natur vor der Zerstörung bewahren möchte, hat vielleicht auch altruistische Ambitionen. Er schaut aber nicht nur nach vorn, rettet die Welt nicht allein für seine Kinder und Kindeskinder. Er blickt vor allem zurück: Die Bilder der Vergangenheit sollen nicht von einer kaputten Gegenwart gelöscht werden. Aber selbst die Bilder sind nicht unschuldig, sie sind nicht ohne Risse, auf ihnen liegt bereits zentimeterdick eine Staubschicht. „Ach, dieses Paradies“ – man findet es nicht einmal in sich selbst. John Cheever ist der Autor, der uns das immer wieder eindrucksvoll vor Augen führt.

John Cheever: „Ach, dieses Paradies“
Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. DuMont. Köln 2013. 128 Seiten. 17,99 Euro.

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