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Ursula Weidenfeld: Die Kanzlerin

„Wir wissen bis heute nicht, wer Angela Merkel ist“, sagt die Publizistin Ursula Weidenfeld. In ihrem Buch „Die Kanzlerin“ gelingt es ihr dennoch, eine Charakterisierung Angela Merkels mit der Chronologie ihres Lebens zu vereinen und eine Epoche an der Schwelle zwischen Aktualität und Geschichte zu analysieren.

Von Moritz Küpper

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Buchcover: "Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche" von Ursula Weidenfeld (Deutschlandradio / Rowohlt Berlin)
„Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche“ von Ursula Weidenfeld (Deutschlandradio / Rowohlt Berlin)

Es war Angela Merkel selbst, die kürzlich erst staunte:

„Man glaubt es nicht, aber als ich Bundeskanzlerin wurde, gab es das iPhone noch nicht“, sagte Merkel im Bundestag, bei ihrer letzten Befragung als Regierungschefin – nach 16 Jahren im Amt.

„Die größte Herausforderung ist eben, dass wir bis heute nicht wissen, wer Angela Merkel ist“, sagt die Publizistin Ursula Weidenfeld:

„Das Hauptproblem ist, dass die Kanzlerin selbst über sich nicht spricht, dass Sie über Ihre Motive nicht spricht, über Ihre Beweggründe nicht und dass Sie über Privatleben nicht spricht. Dass man auf der anderen Seite eben eingeladen ist – und das scheint mir auch eine Strategie oder Prinzip zu sein – in diese politische Karriere auch das hineinzulesen, was man hineinlesen will. Und das ist natürlich für einen Autor oder eine Autorin auf der einen Seite die größte Versuchung und auf der anderen Seite die größte Gefahr.“

Zu und über Merkel gibt es diverse Bücher: Biographien, Comics, Lexika. Bücher, die eher einer kritischen Abrechnung gleichen oder auch Bücher, die sich mit Merkels Rolle als Frau oder mit ihrem Leben vor der Zeit in der Politik beschäftigen. Auch gibt es Sammelbände, in dem unter anderem alte Weggefährten zu Wort kommen. Der Unterschied in Weidenfelds Buch ist nun, eben am Ende dieser – so selbst bezeichneten – Epoche ein Buch vorzulegen.

„Es ist, glaub ich, erst einmal schwierig, an einer Schwelle, wo die Politikautoren aufhören zu schreiben und wo die Historiker noch nicht angefangen haben zu schreiben, ein Buch vorzulegen, ein Buch zu schreiben, das trotzdem eine gewisse Form von historischer Korrektheit und Gültigkeit beansprucht und auf der anderen Seite aber nicht leugnet, dass wir vieles noch gar nicht wissen, was im Nachhinein zur Beurteilung der Kanzlerinnenschaft von Angela Merkel nötig sein wird“, so Weidenfeld.

„Eine Frau ohne Eigenschaften“

Das Buch ist durchaus eine Chronologie von Merkels Leben, auch wenn zu Beginn das Kapitel „Abgang“ steht – inklusive einer Bewertung:

„Nach außen ist die Kanzlerin eine Frau ohne Eigenschaften geworden, eine Projektionsfläche für alle möglichen Erwartungen und Befürchtungen, für Verehrung und Verachtung, Hass und Bewunderung. In Angela Merkel kann man alles finden, die Retterin und die Zerstörerin Europas, die entschiedene Befürworterin und die Gegnerin der Atomkraft, die Klimaretterin und die Industriepolitikerin, die Wirtschaftsreformerin und die strukturkonservative Sozialpolitikerin. So macht sie sich anschlussfähig für fast jede denkbare Regierungskoalition der Mitte. […] Wäre die öffentlich sichtbare Angela Merkel eine Stadt, sie wäre Hassloch. Das 20.000-Seelen-Gemeinwesen in der Nähe von Speyer in Rheinland-Pfalz gilt als Musterstadt des deutschen Durchschnitts.“

Insgesamt neun Kapitel umfasst das Buch – doch die Struktur ist durchaus ungewöhnlich. Sie habe versucht es anders zu machen, so Weidenfeld „weil ich gesucht habe nach Motiven, die die Kanzlerinnenschaft von Angela Merkel am besten illustrieren.“

So heißen die Kapitel nun, „Frauen“, „Männer“, aber auch „Enttäuschungen“, „Katastrophen“ oder „Vermächtnis“. Weidenfeld gelingt es in dem Buch – trotz der noch laufenden Legislaturperiode Chronologie und Charakterisierung zu vereinen. Immer wieder schildert sie dabei auch entscheidende Wegmarken, beispielsweise die legendäre, sogenannte Elefantenrunde nach der Bundestagswahl 2005, in der der damalige Bundeskanzler Schröder seine Wahlniederlage nicht einräumen wollte:

„Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel einginge (…) bei dem sie sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden? Ich mein, wir müssen die Kirche doch mal im Dorf lassen.“

Rund 16 Jahre später analysiert Weidenfeld in „Der Kanzlerin“ die Situation:

„Angela Merkel lächelt jetzt. Sie ahnt: Die letzte Schlacht gegen Schröder gewinnt sie, jetzt hat sie ihn in der Ecke. Die geballte Schnoddrigkeit, Überheblichkeit und Herablassung des amtierenden Kanzlers kann sich die Union, immerhin die stärkste Fraktion im künftigen Bundestag, nicht gefallen lassen. Nun müssen sich auch die parteiinternen Widersacher hinter sie stellen. Ausgerechnet Gerhard Schröder erreicht mit seiner ‚testosteronen Explosion‘, was er für völlig abwegig hält: Angela Merkel wird die Nummer eins. (…) Die Botschaft, die vom Wahlabend und dem Umgang damit ausgeht, heißt: Die Zeit der Alpha-Tiere in der deutschen Politik ist vorbei. Jedenfalls fürs Erste.“

Entscheidende Wegmarken

Das Identifizieren und Analysieren dieser entscheidenden Wegmarken ist die große Stärke des Buchs – und ein wiederkehrendes Stilmittel: Sei es bei Merkels Versuchen, das weinende Flüchtlingskind Rem zu trösten, dem sie, Merkel, leider keine Hoffnung machen konnte...

Merkel: „Du hast es doch prima gemacht.“

Moderator: „Ich glaube nicht, Frau Bundeskanzlerin, dass es da ums Prima-machen geht, sondern dass es natürlich eine sehr belastende Situation ist…“

Merkel: „Das weiß ich, dass es eine belastende Situation ist und deshalb möchte ich sie trotzdem einmal streicheln, weil wir Euch ja nicht in solche Situationen bringen wollen.“

Dieser Moment habe wohl – so heißt es in dem Buch – Auswirkungen auf Merkels Politik gehabt:

 „Sechs Wochen später sagt Angela Merkel in ihrer Sommerpressekonferenz jedenfalls: ‚Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein, wir schaffen das.‘ Der Satz ist heraus. Er wird das Motto der kommenden Jahre. Für die einen ist er eine Verheißung, für andere eine bittere Enttäuschung.“

Analyse einer Epoche an der Schwelle zwischen Aktualität und Geschichte

Auch Merkels Auftritt bei der Frauenzeitschrift „Brigitte“, wo sie – kurz vor der Bundestagswahl 2017, fast beiläufig – das Thema „Ehe für alle“ abräumt, eine vom Fraktionszwang befreite Abstimmung ermöglicht:

„… und deshalb möchte ich gerne die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt hier etwas als Mehrheitsbeschluss durchpauke.“

Dieser Auftritt zeige, so Weidenfeld, das Prinzip der pragmatischen Politikerin Merkel:

„In der CDU ist die Aufregung groß. Die Abgeordneten regen sich nicht nur wegen der Preisgabe von Werten und Überzeugungen auf, die nun auch den letzten, winzigen Restposten eines einst geschlossenen Weltbildes erfasst. Vor allem das Verfahren verbittert sie. Keine Diskussion, keine Debatte, kein Arbeitskreis hat sie darauf vorbereitet, dass hier ein weiteres Merkmal der bisherigen CDU-Politik geopfert werden soll. […] Merkel hilft sich wieder mit einem Trick. Sie empfiehlt die Aufhebung des Fraktionszwangs in der Bundestagsabstimmung im Juli. So vermeidet sie eine Niederlage im eigenen Lager. Das Gesetz wird mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP, Linkspartei und einigen Konservativen beschlossen. Wer fehlt bei den blauen, bei den Pro-Ehe-für-alle-Stimmen? Klar, Angela Merkels Wahlkarte.“

Immer wieder greift Weidenfeld in ihrem Buch auch auf Einschätzungen früherer Merkel-Biografen, wie beispielsweise Evelyn Roll oder auch Gerd Langguth zurück, baut darauf auf. Und so ist „Die Kanzlerin“ eine wirklich lesenswerte Analyse einer Epoche an der Schwelle zwischen Aktualität und Geschichte.

Ursula Weidenfeld: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche, Rowohlt Berlin, 352 Seiten, ISBN: 978-3-7371-0123-3, Preis 22 Euro.

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