altmarius

cultură şi spiritualitate

Die ersten fünf Takte des Lacrimosain der „Arbeitspartitur“. Links oben die Streicherstimmen der Einleitung, rechts unten der Beginn des Vokalsatzes und des Continuo, beides in Mozarts Handschrift. Rechts oben der Schenkungsvermerk Eyblers für „Letztes Mozarts Manuscript“ an die k. k. Hofbibliothek. Auf der Rückseite des Blattes bricht, nach drei weiteren Takten, Mozarts Manuskript ab.

Das Requiem in d-Moll (KV 626) aus dem Jahr 1791 ist Wolfgang Amadeus Mozartsletzte Komposition. Obwohl es nur zu etwa zwei Dritteln tatsächlich von Mozart stammt, ist es eines seiner beliebtesten und am höchsten eingeschätzten Werke. Mozart starb während der Komposition. Da es sich um ein Auftragswerk handelte, vervollständigten Joseph Eybler und Franz Xaver Süßmayr, ein Schüler von Mozart, das Requiem im Auftrag von Constanze Mozart, der Witwe des Komponisten. Die Entstehungsgeschichte und Qualität der nachträglichen Ergänzungen werden seit langem heftig diskutiert. Die ungewöhnlichen Umstände des Kompositionsauftrags und der zeitliche Zusammenhang dieser Seelenmesse mit Mozarts frühem Tod haben zudem eine üppige Mythenbildung angeregt.

Zur Entstehungsgeschichte

In den letzten Jahren vor seinem Tod wandte sich Mozart verstärkt der Kirchenmusik zu – eine ganze Reihe von Kyrie-Fragmenten wird auf die Jahre 1787–1791 datiert.[1] Er versuchte, sich im kirchenmusikalischen Fach ein Auskommen zu sichern, indem er sich im April 1791 erfolgreich als Adjunkt des Domkapellmeisters an St. Stephan in Wien, Leopold Hofmann, bewarb. Die Stelle war zwar unbezahlt, doch erwarb sich Mozart so die „Erwartung auf die 2000 Gulden eintragende Kapellmeisterstelle“,[2] also die Zusicherung einer sehr lukrativen Position. Am 17. Juni 1791 komponierte Mozart die kurze Fronleichnams-Motette Ave verum corpus (KV 618). Ein Arbeitsauftrag für ein größeres Kirchenwerk musste ihm somit sehr entgegenkommen.

Im Laufe des Jahres 1791 wurde Mozart durch Vermittler, die für den exzentrischen Grafen Franz von Walsegg agierten, mit der Komposition eines Requiems beauftragt und erhielt die Hälfte der Bezahlung im Voraus. Er hielt sich an die übliche Textgestalt des Requiems und verzichtete lediglich, wie das in den meisten musikalischen Bearbeitungen der Fall ist, auf eine Vertonung von Graduale und Tractus. Als Vorbild mag das Requiem c-Moll von Michael Haydn gedient haben, an dessen Uraufführung Mozart als Fünfzehnjähriger im Orchester mitgewirkt hatte.[3]

Während des Kompositionsprozesses erkrankte Mozart schwer. Bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1791 hatte er lediglich den Eröffnungssatz des Introitus (Requiem aeternam) mit allen Orchester- und Vokalstimmen niedergeschrieben. Das folgende Kyrie und der größte Teil der Dies-irae-Sequenz (vom Dies irae bis zum Confutatis) waren lediglich in den Gesangsstimmen und dem bezifferten Bass fertiggestellt, darüber hinaus waren verschiedentlich einige wichtige Orchesterpartien (etwa Posaunensolo im Tuba mirum, öfter Stimme der ersten Violinen) kurz skizziert. Der letzte Satz der Sequenz, das Lacrimosa, brach nach acht Takten ab und blieb unvollständig. In den 1960er Jahren wurde eine Skizze für eine Amen-Fuge entdeckt, die offenbar die Sequenz nach dem Lacrimosa hätte beenden sollen. Die folgenden beiden Sätze des Offertorium, das Domine Jesu Christe und das Hostias, waren wiederum in den Gesangsstimmen und teilweise im Continuoausgearbeitet. Sanctus mit Benedictus, Agnus Dei und Communio fehlten völlig.[4]

Constanze Mozart. Porträt von Joseph Lange
Erste Seite der „Ablieferungspartitur“ in Mozarts Handschrift. Rechts oben die Unterschrift „di me W. A. Mozart mppr. 1792“ (di me = „von mir“, mppr. = manu propria, eigenhändig), die Handschriftenanalysen zufolge von Süßmayr gefälscht wurde.

Der Witwe Mozarts, Constanze Mozart, war verständlicherweise sehr daran gelegen, dass das unvollständige Werk abgeschlossen wurde, um die Vorauszahlung nicht zurückzahlen zu müssen und die zweite Hälfte der Kaufsumme zu erhalten. Sie beauftragte daher andere Komponisten, meist Schüler Mozarts, mit der Fertigstellung. Zunächst wandte sie sich an Joseph Eybler. Er arbeitete an der Instrumentation der Sätze vom Dies irae bis zum Lacrimosa, gab den Auftrag dann aber aus unbekannten Gründen zurück. Seine Ergänzungen schrieb er direkt in Mozarts autografe Partitur.

Die Arbeit wurde einem anderen jungen Komponisten und Schüler Mozarts anvertraut, Franz Xaver Süßmayr, der sich für die Instrumentation auf Eyblers Arbeit stützen konnte. Süßmayr komplettierte die Orchestrierung der Sequenz sowie des Offertoriums, stellte das Lacrimosafertig und komponierte weitere Sätze: Sanctus, Benedictus und Agnus Dei. Dann ergänzte er die Communio (Lux aeterna), indem er die beiden Eröffnungssätze, die Mozart noch selbst komponiert hatte, wiederholte und ihnen den Text des Lux aeterna unterlegte. Ob auch die Trompeten- und Paukenstimmen im Kyrie von Süßmayr stammen, ist heute umstritten.[5]

Während die Ergänzungen des Kyrie sowie Eyblers Instrumentation direkt in Mozarts Partitureingetragen wurden, übertrug Süßmayr für den Rest des Werks Mozarts Notentext und auch (teilweise nach eigenen Vorstellungen verändert) Eyblers Ergänzungen auf neues Notenpapier. Es entstanden so zwei Partituren: die „Arbeitspartitur“, die nur Mozarts Handschrift und Eyblers Ergänzungen enthält und von Süßmayr als Arbeitsgrundlage benutzt wurde, und die „Ablieferungspartitur“ in der von Süßmayr fertiggestellten Fassung. Die letztere wurde mit einer (von Süßmayr) gefälschten Unterschrift Mozarts versehen, auf 1792 datiert und in diesem Jahr auch dem Boten des anonym gebliebenen Grafen Walsegg übergeben. Die entscheidenden Manuskripte, insbesondere die „Ablieferungspartitur“ und die „Arbeitspartitur“, fanden zwischen 1830 und 1840 nach und nach den Weg in die Wiener Hofbibliothek (heute Österreichische Nationalbibliothek).

Neben Eybler haben vermutlich auch noch weitere Komponisten an der Vervollständigung gearbeitet, deren Notizen Süßmayr wahrscheinlich ebenfalls nutzen konnte. So hat Maximilian Stadler offenbar zumindest Vorarbeiten zur Instrumentation des Domine Jesugeleistet. Die Begleitstimmen im Kyrie, die mit den Chorstimmen „mitgehen“ (colla-parte-Stimmen), stammen ebenfalls von einer anderen Hand; Leopold Nowak, der Herausgeber des Requiem-Bandes der Neuen Mozart-Ausgabe (NMA), hat Franz Jakob Freystädtler als Autor vermutet, was aber durch neuere Handschriftenbefunde ausgeschlossen werden kann.[6]

Da die neu hinzugekommenen, von Süßmayr stammenden Teile z. T. deutliche motivische Bezüge zum von Mozart stammenden Notentext haben und außerdem Anlehnungen an andere Kompositionen Mozarts entdeckt wurden, wird häufig angenommen, dass Süßmayr oder andere Beteiligte an dem Werk auf mündliche oder schriftliche Hinweise Mozarts zurückgreifen konnten (Mozarts Witwe hat „Trümmer“ bzw. „Zettelchen“ von Mozart erwähnt).

Zur Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Werk ist besetzt mit vier Vokalsolisten (Sopran, Alt, Tenor und Bass), vierstimmigem Chor und einem kleinen klassischenOrchester, bestehend aus zwei Bassetthörnern, zwei Fagotten, zwei Trompeten, drei Posaunen, Pauken, Streichorchesterund Basso continuo (Orgel). Auffällig ist das Fehlen der hohen Holzbläser (Flöten, Oboen) und der Waldhörner. Der Klang des Orchesters wird somit stark durch den biegsamen, dunklen Ton der Bassetthörner bestimmt. So wird eine „durch die sparsame Instrumentation noch verstärkte starke Abdunklung und Transparenz erreicht, und eine düster-ernste Grundstimmung erzielt“.[7]

Im Vordergrund steht im Mozart-Requiem durchweg der vierstimmige Vokalsatz, es gibt nur kurze rein instrumentale Partien. Das Orchester hat mit wenigen Ausnahmen eher dienende Funktion. Auch die Vokalsolisten treten hinter dem Chor deutlich zurück und werden (außer im Tuba mirum) im Wesentlichen als Ensemble eingesetzt. Arien und vergleichbare Formen solistischer Virtuosität fehlen ganz, anders als in anderen kirchenmusikalischen Werken oder gar Opern Mozarts und seiner Zeitgenossen. Der Chor erhält allerdings, zumindest im Kyrie, erheblichen Raum zur Glanzentfaltung.

Die Haupttonart des Requiems ist d-Moll, eine Tonart, die häufig (wie in den Komturszenen des Don Giovanni oder in Franz Schuberts Streichquartett Der Tod und das Mädchen) ernsten oder auf das Jenseits bezogenen Dingen zugeordnet wird.[8]Die Tonarten bewegen sich (mit Ausnahme des nicht von Mozart stammenden Sanctus in D-Dur) größtenteils im Bereich von oft mit Dunkelheit, Emotion, Romantik, und Sterben assoziierten[9] B-Tonarten (neben d-Moll etwa F-Dur, g-Moll, Es-Dur, B-Dur, auch a-Moll). Häufig sind die Anschlüsse der Sätze terzverwandt (etwa von d-Moll nach B-Dur).

Die Aufführungsdauer beträgt etwa eine Stunde (je nach Version der Vervollständigung und dem vom Dirigenten gewählten Tempo).

Werkgestalt

(in der traditionellen Vervollständigung durch F.X. Süßmayr)

I. Introitus: Requiem aeternam, Adagio, d[10] (Chor, Sopransolo, Chor). Unmittelbar anschließend:

II. Kyrie, Allegro, d (Fuge) (Chor)

III. Sequenz

  1. Dies irae, Allegro assai, d (Chor)
  2. Tuba mirum, Andante, B (Solistenquartett)
  3. Rex tremendae, g (Chor)
  4. Recordare, F (Solistenquartett)
  5. Confutatis, Andante, a (Chor)
  6. Lacrimosa, d (Chor)

IV. Offertorium

  1. Domine Jesu, Andante con moto, g (Chor, Solisten), Fuge Quam olim Abrahae (Chor)
  2. Hostias, Es (Chor) mit Wiederholung der Fuge Quam olim Abrahae

V. Sanctus, Adagio, D mit Fuge Osanna (Chor)

VI. Benedictus, Andante, B (Solistenquartett) und Fuge Osanna (Chor)

VII. Agnus Dei, d (Chor). Unmittelbar anschließend:

VIII. Communio: Lux aeterna, Adagio, d (Sopransolo, Chor) + Allegro, d (Fuge, Chor) (Parodie von Mozarts Introitus [ab Takt 19] und Kyrie)

Introitus und Kyrie

Introïtus, Bruno Walter, 1956.
Eingangstakte des Requiems mit der Vorstellung des Hauptthemas – oben Bassetthörner, unten Fagotte (Audio-Datei / Hörbeispiel Hörbeispiel?/i)

Das Requiem beginnt mit einer siebentaktigen Orchestereinleitung, in der die Holzbläser (zuerst Fagotte, dann Bassetthörner) in „überlappender“ Folge das Hauptthema des Werks vorstellen. Es hat sein Vorbild in einem Anthem von Georg Friedrich Händel (dem Chor The ways of Zion do mourn aus dem Funeral Anthem for Queen Caroline, HWV 264)[11] und wirkt vor allem durch eine ansteigende Tonfolge in Vierteln einprägsam. In mehreren Sätzen des Werks finden sich Anklänge daran, unter anderem in den Koloraturen der Kyrie-Fuge und im Ausklang des Lacrimosa. Dieses Netz motivischer Beziehungen hat große Bedeutung für das Werk.

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Die Posaunen kündigen dann das Einsetzen des Chores an, der das Thema zunächst in der Bassstimme und dann imitierend in den anderen Stimmen aufnimmt. Die Streicher spielen dazu um eine Sechzehntel verschobene, synkopische Begleitfiguren, die durch ihr „Nachklappen“ den feierlichen, gemessenen Charakter der Musik unterstreichen. Nach einem Sopransolo zum Text Te decet hymnus (im Tonus peregrinus), dessen Motive der Chor aufnimmt, wird das Hauptthema sowie ein weiteres, durch abwärts fließende Sechzehntelketten gekennzeichnetes Thema von Chor und Orchester verarbeitet. Wechsel und Ineinander von „gehaltenen“ steigenden und abwärts fließenden Melodieverläufen, aber auch Wechsel zwischen kontrapunktischen und akkordisch-deklamierenden Passagen (Et lux perpetua) machen den Reiz dieses Satzes aus, der mit einem Halbschluss auf der Dominante A-Dur endet.

Eingangstakte des Kyrie. Im Bass das Hauptthema (auf den Text Kyrie eleison), im Alt das Kontrasubjekt auf Christe eleison (Audio-Datei / Hörbeispiel Hörbeispiel?/i)
Chorbass, Takt 33f des Kyrie. Chromatische Variation des Kontrasubjekts („Gurgeleien“ nach Weber) (Audio-Datei / Hörbeispiel Hörbeispiel?/i)

Ohne Pause (attacca) folgt die lebhafte Kyrie-Fuge, deren Thema – mitsamt dem Kontrasubjekt – ebenfalls von Händel übernommen ist (nämlich aus dem Schlusschor The King shall rejoice aus dem Anthem for the victory of Dettingen HWV 265).[12] Mozart kannte dieses Thema gut aus seiner Bearbeitung von Händels Messiah (vgl. den Chorsatz And with his stripes we are healed aus dem Messiah).[13] Die kontrapunktierenden Motive zu diesem Fugenthema nehmen die beiden Themen aus dem Introitus wieder auf und variieren sie. Die zuerst diatonisch steigenden Sechzehntel-Läufe werden im Lauf der Durchführung zunehmend durch chromatische abgelöst, was eine Steigerung der Intensität bewirkt. Dabei werden an die Höhen vor allem in der Sopranstimme einige Anforderungen gestellt (bis zum zweigestrichenen b). Eine Schlussformel in verlangsamtem Tempo (Adagio) endet in einer leeren Quinte, einem terzlosen Klang, der im klassischen Zeitalter archaisch wirkt, als bewusster Rückgriff auf Vergangenes.

Sequenz (Dies irae)[

Der Beginn des Dies irae im Autograph mit Eyblers Instrumentation. Rechts oben Nissens Anmerkung: „Alles, was nicht mit einer Bleyfeder eingezäunt ist, ist Mozarts Handschrift bis auf pagina 32.“ „Eingezäunt“ sind, wie auf der Abbildung sichtbar, die Bläserstimmen (Zeile 4–7) sowie ab Takt 5 die zweiten Violinen und Bratschen (Zeilen 2 und 3). Die Stimme der ersten Violinen (Zeile 1), die Chorstimmen (Zeilen 8–11) und der bezifferte Bass (letzte Zeile) sind ganz von Mozart.

Das Dies irae setzt ohne Einleitung kraftvoll mit vollem Orchester und Chor ein. Die wuchtigen Chor-Rufe werden durch ein Tremolo des Orchesters und synkopierte Einwürfe in den Chorpausen grundiert und verstärkt. Darauf folgen mehrfach rasante chromatische Sechzehntelläufe der ersten Violinen bis zu den erneuten Choreinsätzen. Eine effektvolle Passage ist der dreimal wiederholte „zitternde“, von Generalbass, Violinen in tiefer Lage und Chorbass unisonovorgetragene Wechsel von gis und a in Achteln zum Text Quantus tremor est futurus („Welches Zittern wird sein“, nämlich am Dies irae, am Tag des jüngsten Gerichts) – Mozart ließ sich hier offenbar vom Text inspirieren.

Das gilt auch für den nächsten Satz Tuba mirum, der – entsprechend der üblichen deutschen Übersetzung von tuba mit Posaune – von Dreiklangsbrechungen der unbegleiteten Solo-Posaune in B-Dur, einer Mediante von d-Moll, eingeleitet wird. Nach zwei Takten setzt der Solo-Bass imitierend ein. In Takt 7 folgt eine Fermate – die einzige Stelle, die für eine Solokadenz in Frage käme. Auf die letzte Viertel des Bass-Solos setzt der Solo-Tenor ein, in ähnlicher Weise dann Solo-Alt und Solo-Sopran, jeweils in recht dramatischer Weise. Zum Text Cum vix justus sit securus („Wenn kaum der Gerechte sicher ist“) geht das Stück in einen homophonen Satz der vier Solostimmen über, die „cum“ und „vix“ unbegleitet auf den Taktschwerpunkten 1 und 3 artikulieren, während auf den „schwachen“ Zählzeiten 2 und 4 Violinen und Continuo antworten; dieses „Stocken“ (das vom Text her als Stocken vor dem Jüngsten Gericht gedeutet werden könnte) erklingt einmal gedämpft (sotto voce), dann forte und gleich wieder piano, worauf ein Crescendo in die Schlusskadenz führt.

Eine scharf punktierte absteigende Tonfolge im Orchester kündigt den „König von erschreckender Majestät“ (Rex tremendae majestatis) an, der dreimal mit mächtigen Chorakkorden auf die Silbe Rex in den Orchesterpausen angerufen wird. Dann übernimmt der Chor den punktierten Rhythmus des Orchesters, der in der Barockmusik als „Topos der Herrscher-Huldigung“ (Wolff) bekannt war. Der Satz hat nur 22 Takte, ist aber auf dieser kurzen Distanz sehr abwechslungsreich: Homophone und kontrapunktische Chorpassagen wechseln mehrfach und münden am Ende in eine fast unbegleitete Chorkadenz, die wiederum in einem terzlosen Klang auf d endet (wie schon beim Kyrie).

Es folgt der mit 130 Takten längste Satz des Werks (und der erste in ungeradem Metrum, nämlich im Drei-Viertel-Takt), das Recordare, in dem nicht weniger als sechs Strophen des Dies irae verarbeitet sind. In einer dreizehntaktigen Einleitung stellen zunächst die Bassetthörner das getragene Thema vor, danach beantworten die Streicher es mit absteigenden Skalenläufen, die bereits zuvor in den Violoncelli erklangen. Diese Einleitung erinnert an den Beginn des Gesamtwerkes, ebenso wie die rhythmischen und melodischen Verschiebungen (Bassetthorn I setzt einen Takt nach Bassetthorn II ein, aber einen Ganztonhöher; Violinen II gegenüber Violinen I um eine Viertel verschoben usw.). Danach setzt das Soloquartett ein, in immer neuen Kombinationen der Stimmen, wobei besonders die immer wieder neu differenzierten Wechselgesangs-Muster zwischen den Stimmen beeindrucken. Wie bereits Erich Prieger 1910 feststellte, ist der Themenkopf des Recordare weitgehend identisch mit einer Passage aus Wilhelm Friedemann Bachs Sinfonia d-Moll (= Adagio und Fuge für zwei Traversflöten, Streicher und Continuo, Fk 65, Takt 32ff). Christoph Wolff nimmt hier allerdings, anders als bei Introitus und Kyrie, nicht ein bewusstes Zitat, sondern vielmehr eine Entlehnung aus dem „zeitüblichen musikalischen Vokabular“ an.[14]

Takt 25ff. des Confutatis. Unten Generalbass (unbeziffert), darüber der vierstimmige Chorsatz zum Text Oro supplex et acclinis. Modulation von a-Moll nach as-Moll (Audio-Datei / Hörbeispiel Hörbeispiel?/i)

Das anschließende Confutatis besticht durch scharfe rhythmische, dynamische und Lagenkontraste und überraschende harmonische Wendungen. Zu einer „rollenden“ Bassfigur intonieren die Männerstimmen des Chors forteund in scharf punktierten Rhythmen die Höllenvision (Confutatis maledictis, flammis acribus addictis = „Die Übeltäter sind verbannt, den sengenden Flammen übergeben“). Dann pausiert die Generalbassbegleitung, und die Frauenstimmen des Chors singen sanft und sotto voce die Bitte, sie in die Seligen aufzunehmen (voca me cum benedictis). Schließlich führt in der nächsten Strophe – zum Text des „gebeugten Büßers“ (Oro supplex et acclinis) – eine enharmonische Modulation von a-Moll über einen verminderten Septakkord nach Es7 und schließlich as-Moll; diese überraschende Absenkung der Basis wird mit starkem Effekt wiederholt, bis schließlich F erreicht ist, nun aber in Dur. Ein Septakkord auf A führt zum letzten Satz des Dies irae, dem Lacrimosa, das ohne Pause anschließt.

Im wiegenden Zwölfachteltakt beginnen die Streicher piano mit Seufzermotiven, zu denen nach zwei Takten der Chor hinzutritt (Lacrimosa = „tränenreich“). Eine ausholende Geste mit aufsteigender Sext und eine fallende Sekunde verleihen dem Sopran einen intensiv schmerzlichen Ausdruck. Nach weiteren zwei Takten beginnt die Sopranstimme des Chorsatzes Im Rhythmus punktierter Viertel anzusteigen (zum Text resurget = „wird auferstehen“), zunächst diatonisch und – wegen der Notierung in Achteln und Pausen – zögernd, dann legato und chromatisch mit mächtig anschwellender Dynamik. In Takt 8 ist bereits das Forte erreicht – und hier brach Mozarts Manuskript ab. Süßmayr setzt den homophonen Chorsatz fort, der schließlich in ein Zitat des Requiem-Beginns (im Chorsopran) und eine zweitaktige Amen-Kadenz mündet.

Offertorium

Der erste Satz des Offertoriums, das Domine Jesu, beginnt mit einem piano gesungenen Thema, das (in der Sopranstimme des Chorsatzes) aus den Tönen eines g-Moll-Dreiklangs in aufsteigender Folge besteht. Dieses Thema wird später auf anderen harmonischen Stufen variiert: As-Dur, b-Moll, dann folgt die Dur-Terz D. Das Soloquartett verarbeitet es später in einer absteigenden Quintkanonfolge, wobei der Terzton ständig zwischen der Mollterz (im Aufstieg) und der Durterz (im Abstieg) variiert. Zwischen diesen thematischen Passagen liegen forte artikulierte, oft unisono gesungene Phrasen in punktierten Rhythmen (etwa auf den Text „Rex gloriae“ = „ruhmreicher König“ oder auch „de ore leonis“ = „[rette uns] vor dem Rachen des Löwen“). Dieses abwechslungsreiche Geflecht wird weiter variiert durch ein Fugato der Chorstimmen mit sehr großen Intervallstürzen (zum Text „ne absorbeat eas tartarus, ne cadant in obscurum“ = „dass sie nicht die Hölle verschlinge, dass sie nicht in die Finsternis stürzen“). Den Satz schließt das Quam olim Abrahae ab, das zunächst als Fuge erklingt und dann in einen scharf rhythmisierten homophonen Satz übergeht, der schließlich in G-Dur endet.

Takt 46ff. des Hostias, vierstimmiger Chorsatz zum Text Fac eas, Domine, de morte transire ad vitam, der mit starker Wirkung piano von Es-Dur in die festliche Tonart D-Dur führt – vom Tode ins Leben.

Mediantisch in Es-Dur schließt das Hostias an, das im Dreivierteltakt steht. Der fließende Vokalsatz geht nach zwanzig Takten in einzelne Ausrufe des Chores über, wechselnd im Forte und Piano. Damit ist gesteigerte harmonische Aktivität verbunden: Rückung von B-Dur nach b-Moll, dann F-Dur, Des-Dur, As-Dur, f-Moll, c-Moll und wieder Es-Dur. Über eine überraschende chromatische Melodieführung zum Text fac eas, Domine, de morte transire ad vitam („lass sie, Herr, vom Tode ins Leben hinübergehen“) wird schließlich D-Dur erreicht, und nun schließt erneut die tongetreu wiederholte Fuge Quam olim Abrahae an. Die Anweisung, dieses zu wiederholen („Quam olim da capo“), ist wahrscheinlich Mozarts letzte Tat am Requiem. Diese handschriftliche Notiz ist jedoch vermutlich 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel, wo die Partitur gezeigt wurde, verloren gegangen – die rechte untere Ecke des letzten Partiturbogens, wo sie stand, ist offenbar von unbekannter Hand herausgerissen und gestohlen worden. Auf Faksimiles ist die Anweisung jedoch erhalten. (Dieses Faktum wurde vom österreichischen Schriftsteller Gerhard Roth aufgegriffen und in seinem Roman Der Plan[15] thematisiert.)

Süßmayrs Ergänzungen: Sanctus, Benedictus, Agnus Dei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Sanctus ist der erste Satz, der ganz von Franz Xaver Süßmayr stammt, und der einzige des ganzen Requiems in einer Kreuztonart (nämlich der „festlichen“ Tonart D-Dur, die gern für den Einsatz von Barocktrompeten genutzt wurde). Auf den mit zehn Takten Umfang sehr knapp gehaltenen Lobpreis des Herrn folgt ein fugierter Satz zum Text Osanna in excelsis im Dreivierteltakt, auffällig synkopiert.

Das Benedictus, in der Untermediante B-Dur, exponiert das Solistenquartett. Ein im ersten Durchgang zuerst von Alt und Sopran vorgestelltes Thema wird in allen vier Stimmen motivisch verarbeitet; der zweite Durchgang bringt das Thema zuerst in Bass und Tenor. Es folgt erneut das Osanna in excelsis, das diesmal in B-Dur verbleibt und variierte Stimmeinsätze aufweist. Die zu erwartende Rückmodulation[16] zur Tonart des ersten Osanna, D-Dur, unterbleibt.

Im Agnus Dei dominiert der homophone Satz. Dreimal setzt der Text Agnus Dei an, jeweils mit chromatischen Melodieführungen und harmonischen Wendungen, die von d-Moll bis E-Dur führen (und dann wieder nach B-Dur). Der Chorbass zitiert dabei das Thema des ersten Satzes (Requiem aeternam). Attacca geht das Stück in das Lux aeterna über, das Mozarts erstem Satz (ab Te decet hymnus) und später seinem Kyrie fast notengetreu bis zum Schluss folgt, lediglich mit geändertem Text.

Zweite Entstehung: Uraufführung, Notentext, Autografen

Uraufführung im Plural

Blick auf den Hochaltar der Michaelerkirche
Heute befindet sich im Stockwerk unter der ehemaligen Restauration Jahn das Café Frauenhuber

Es gibt Hinweise auf eine (fragmentarische) Erstaufführung, noch bevor das Werk überhaupt fertiggestellt war, nämlich am 10. Dezember 1791 im Zusammenhang mit den Exequien für Mozart, die Emanuel Schikaneder in der Michaelerkirche zu Wien abhalten ließ, wo sich heute auch eine Gedenktafel befindet, die an dieses Ereignis erinnert. Dort können jedoch allenfalls die ersten beiden Sätze, Introitus und Kyrie, gespielt worden sein, da die anderen noch gar nicht vollständig vorlagen. Mit welchen Instrumenten gespielt wurde, ist unbekannt.

Die Uraufführung des Gesamtwerks fand am 2. Januar 1793 im Saal der Restauration Jahn in Wien statt, wo Mozart 1791 seinen letzten Auftritt als Pianist gehabt hatte. Sie wurde veranstaltet von Gottfried van Swieten im Rahmen eines Benefizkonzerts für Constanze Mozart und ihre Kinder. Die Aufführung scheint sich auf Kopien gestützt zu haben, die Constanze Mozart und Süßmayr vor der Ablieferung der Partitur hatten anfertigen lassen. Vermutlich geschah dies ohne Wissen des Auftraggebers Graf Walsegg, der die Rechte daran besaß.

Erst am 14. Dezember 1793 (in der Stiftskirche des Zisterzienserstiftes Neukloster in Wiener Neustadt) kam es zu der ersten Aufführung, die den Auftragsbedingungen und der ursprünglichen Zweckbestimmung entsprach: als Seelenmesse für die verstorbene Gräfin Walsegg. Der Auftraggeber selbst dirigierte nach dem Bericht eines der beteiligten Musiker[17] das Werk und benutzte dazu eine Partiturabschrift, in die er als Autor sich selbst hatte eintragen lassen – offenbar ein Verfahren, das er häufiger anwandte (und das auch die anonyme Bestellung erklärt). Eine weitere Aufführung fand am 14. Februar 1794, dem dritten Todestag der Gräfin Walsegg, in der Patronatskirche des Grafen, Maria Schutz am Semmering (heute zu Schottwiengehörig), statt.

Über Wien und Wiener Neustadt hinaus verbreitete sich der Ruf des Werks durch eine Aufführung im Konzertsaal des Gewandhauses in Leipzig am 20. April 1796, dirigiert von Johann Gottfried Schicht, dem späteren Thomaskantor. Die Ankündigung ist erhalten geblieben, sodass Genaueres bekannt ist. Nach dem ca. einstündigen Requiem waren weitere Mozartwerke mit zwei Interpreten vorgesehen: Constanze Mozart (Gesang) und August Eberhard Müller (Orgel). Müller war später Redakteur des Erstdrucks der Partitur.

Wie die Handschriften zum Mozart-Requiem wurden

In der ersten ausführlichen Biografie Mozarts, die von Franz Xaver Niemetschek 1798 veröffentlicht wurde, findet das Requiem bereits recht ausführlich Erwähnung. Der Fragmentcharakter wird ebenso angesprochen wie die anonyme Bestellung.

Der Verlag Breitkopf & Härtel wandte sich nun im Lauf des Jahres 1799 an Constanze Mozart, um Verhandlungen wegen des Mozart-Nachlasses sowie eines Drucks der Requiem-Partitur aufzunehmen. Während erstere scheiterten, hatten letztere Erfolg – auch deswegen, weil Constanze Mozart nicht über die Rechte an dem Werk verfügte. Der Verlag, der bereits eine Partiturabschrift in Besitz hatte, versuchte von Constanze Mozart genauere Informationen bezüglich des Urheberrechts, der Urheberschaft sowie des genauen Notentextes zu erlangen. Constanze Mozart übersandte Breitkopf & Härtel ihre Partiturabschrift zum Abgleichen des Notentextes und gab dem Verlag den Rat, sich wegen der Einzelheiten der Fertigstellung des Werks an Süßmayr zu wenden. Tatsächlich erklärte Süßmayr in einem Brief vom Februar 1800 an den Verlag, im Wesentlichen wohl korrekt, seinen Anteil am Requiem, scheint aber nicht auf Nennung seines Namens gedrängt zu haben – denn bald darauf erschien der Erstdruck der Partitur bei Breitkopf & Härtel, der als Autor lediglich Mozart angab, einen eindeutigen Notentext lieferte und den Fragmentcharakter des Werkes in keiner Weise erkennen ließ.

Mozarts Nachruf in der Musikalischen Korrespondenz der teutschen Filarmonischen Gesellschaft vom 28. Dezember 1791

Durch die Zeitungsinserate, mit denen der Verlag für das Werk warb, wurde jedoch auch Graf Walsegg aufmerksam, trat aus seiner Anonymität heraus und stellte Forderungen an Constanze Mozart, die offenbar durch einen Kompromiss abgegolten werden konnten. Wohl auf sein Drängen hin, vielleicht aber auch im Interesse Constanze Mozarts, die dem Musikverleger Johann Anton André, dem Erwerber des Mozart-Nachlasses, gern die Originalpartitur beschafft und verkauft hätte, kam es zudem im Herbst 1800 zu einem denkwürdigen Treffen in der Wiener Notariatskanzlei von Dr. Johann Nepomuk Sortschan, der für Walsegg agierte. Dabei lagen alle wichtigen Handschriften vor: die „Ablieferungspartitur“, die der Graf erhalten hatte; die „Arbeitspartitur“, die damals im Besitz von Constanze Mozart war; dazu ein Exemplar des Erstdrucks von Breitkopf & Härtel. Maximilian Stadler und Georg Nikolaus Nissen (Constanze Mozarts zweiter Mann) vertraten die Familie Mozart. Stadler hatte den Nachlass Mozarts geordnet, kannte daher Mozarts Handschrift gut und war vermutlich auch an der Instrumentation des Offertoriums beteiligt gewesen; ihm fiel daher die Aufgabe zu, die Teile Mozarts und Süßmayrs zu trennen. Dies geschah u. a. durch „Einzäunen“ der nicht von Mozart stammenden Passagen mit einer „Bleyfeder“ in der „Arbeitspartitur“. Das Ergebnis dieser Kollationierung wurde vom Notar festgehalten und Geheimhaltung vereinbart. Dann kehrten die Originale wieder zu ihren Besitzern zurück.

Im Grunde gab es erst jetzt wirklich ein „Mozart-Requiem“ als einheitliches Werk: Die rechtlichen Fragen waren geklärt, eine Partiturausgabe existierte auf dem Markt und wurde bald durch einen Klavierauszug (erschienen bei André 1801) und Stimmausgaben (1812 in Wien) ergänzt (durchweg mit Mozart als allein genanntem Verfasser), Aufführungen, Partiturstudium und Rezensionen waren möglich. Andererseits war auch der Anteil von Süßmayr bekannt, denn sein oben angeführter Brief an Breitkopf & Härtel wurde 1801 in der Allgemeinen musikalischen Zeitung abgedruckt. Bis 1825 wurde die Werkgestalt nicht mehr nennenswert öffentlich diskutiert.

Der Requiem-Streit

Im Jahre 1825 veröffentlichte der Herausgeber der „Cäcilia – Zeitschrift für die musikalische Welt“, Jacob Gottfried Weber, in dieser seinen Aufsatz „Über die Echtheit des Mozartschen Requiem“, der erhebliche Kontroversen nach sich zog. Er brachte nicht nur wieder die Tatsache in Erinnerung, dass Mozart nicht der alleinige Autor des Requiem war und dass bislang der Öffentlichkeit keinerlei beweiskräftige Dokumente für eine Urheberschaft vorlagen; vielmehr zog er generell in Zweifel, dass die veröffentlichte Partitur überhaupt auf Mozart zurückgehe, und vermutete, dass Süßmayr den gesamten Notentext aus evtl. „Skizzen“ zusammengebastelt habe. Großen Ärger handelte er sich aber vor allem damit ein, dass er die Authentizitätsfrage mit ästhetischen Bewertungen verknüpfte. So bezeichnete er die chromatischen Koloraturen im Kyrie (s. o.) als „wilde gorgheggj“ (Gurgeleien) und äußerte sich u. a. auch höchst despektierlich über die schroffen Gegensätze im Confutatis – deswegen wolle er sie nicht ohne Beweis Mozart zuschreiben müssen.

Webers Attacke erreichte ein recht großes Publikum und führte zu scharfen Reaktionen. Ludwig van Beethoven notierte in seinem Cäcilia-Exemplar „O du Erzesel“ und „O du doppelter Esel“ an den Rand des Artikels,[18] auch Carl Friedrich Zelteräußerte sich in einem Brief an Goethe sehr ungnädig über Weber. Freilich war Weber mit seiner Kritik nicht allein. So verwarf auch Hans Georg Nägeli die unkonventionelle harmonische Disposition des Kyrie: „Durch eine solche Verletzung der Verwandtschaft der Tonarten … wird die Fuge zu einem barbarischen Tongewühle.“[19] Es kam zu einer lebhaften Debatte über die Fragen der Echtheit und der ästhetischen Wertung, die sich in verschiedenen Zeitschriften niederschlug (u. a. Cäcilia, Allgemeine musikalische Zeitung, Berliner allgemeine musikalische Zeitung). Für die Echtheitsfrage erlangte besonders die Antwort von Maximilian Stadler Bedeutung. Er verwies auf das oben beschriebene Redaktionstreffen vom Herbst 1800, das damit erstmals öffentlich bekannt gemacht wurde, und bezog sich dabei auf die Autografen Mozarts: „Ich habe diese Originalien vor kurzer Zeit zwey Mahl in Händen gehabt, und genau durchgesehen“.[20] Ferner stellte er als erster fest, dass Mozart „den großen Händel … zu seinem Muster in ernsthaften Singsachen wählte“, und wies auf Händels „Anthem for the Funeral of Queen Caroline“ als Vorbild des ersten Satzes hin. Das war Wasser auf die Mühlen Webers, der in seiner öffentlichen Antwort in „Cäcilia“ dafür plädierte, Requiem und Kyrie als Skizzen Mozarts nach Händel anzusehen, da er Mozart kein Plagiat unterstellen wolle. Es liegt nahe, dass Weber einen Begriff von Originalschöpfung vertrat, der Mozarts freiem Umgang mit Vorbildern nicht entsprach.

Immerhin hatte Webers Attacke zur Folge, dass die Autografen Mozarts in den nächsten Jahren ans Tageslicht kamen. Zunächst veranstaltete Johann Anton André 1827 eine erste „nach Mozart’s und Süßmayr’s Handschriften berichtigte Ausgabe des Requiems“, zwei Jahre später eine Sonderausgabe der Sequenz und des Offertoriums mit Mozarts eigenem Notentext. 1829 verkaufte Stadler das Autograf der Sequenz, das er in Besitz hatte, der Hofbibliothek zu Wien, 1833 erhielt dieselbe Bibliothek von Eybler die Autografen des Lacrymosa-Fragments und des Offertoriums. Schließlich erwarb die Bibliothek 1838 auch noch die komplette „Ablieferungspartitur“ aus dem Nachlass von Walsegg, sodass nun – bis auf die oben erwähnte Skizze der Amen-Fuge – alle wichtigen Originaldokumente öffentlich zugänglich waren. Sie bilden bis heute die Grundlage für die fortdauernden Kontroverse um die „richtige“ Requiem-Gestalt.

Zur Rezeption

Trotz der komplizierten Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte war das Requiem das erste große kirchenmusikalische Werk Mozarts, das im Druck vorlag. Es erfreute sich zudem einer konstanten Beliebtheit, die von den Konjunkturen der Mozart-Rezeption kaum berührt wurde. Die Gründe dafür sind nicht rein musikalischer Natur: Die Mythen und Geheimnisse um Mozarts Ende spielten hier eine große Rolle.

Der Beitrag der Mythenbildung

Von Beginn an war die Rezeption des Mozart-Requiems geprägt durch Legendenbildung um seine Entstehung sowie um den Tod Mozarts. Ein frühes Beispiel dafür ist ein Artikel von Johann Friedrich Rochlitz in der Allgemeinen musikalischen Zeitungvon 1798, also noch vor dem Erstdruck der Partitur.[21] Rochlitz stilisierte den „Grauen Boten“ zu einem Boten aus dem Jenseits. Mozart sei fest überzeugt gewesen, „der Mann mit dem edlen Ansehen sei ein ganz ungewöhnlicher Mensch, der mit jener Welt in näherer Verbindung stehe, oder wohl gar ihm zugesandt sei, ihm sein Ende anzumelden“. Er habe dann Tag und Nacht und bis zur Ohnmacht an dem Werk gearbeitet, denn er habe geglaubt, er „arbeite dies Stück zu seiner eigenen Totenfeier“. Bei derartigem Eingreifen jenseitiger Gewalten sei es kein Wunder, „daß so ein vollendetes Werk zustande kam“. Der Bericht stützte sich auf wenig zuverlässige Informationen von Constanze Mozart und ist durch den autografen Befund, der keine Zeichen von Hast erkennen lässt, keineswegs gedeckt.[22]

Ein Moment aus den letzten Tagen Mozarts  Lithografie von Friedrich Leybold aus dem Jahr 1857 nach Schilderungen von Franz Schramms

Er erhöhte jedoch die Neugier auf Mozarts letztes Werk und wurde später immer wieder aufgegriffen und weiter ausgeschmückt, unter anderem durch bereits frühzeitig umlaufende Gerüchte, Mozart sei einem Giftmord zum Opfer gefallen, womöglich durch seinen Konkurrenten Antonio Salieri.[23] Dieser Zug spielt vom frühen 19. Jahrhundert bis heute, von Alexander Puschkins Drama Mozart und Salieri(das Rimski-Korsakow als Vorlage zu seiner gleichnamigen Oper Mozart und Salieridiente) bis zu Miloš Formans Film Amadeus, eine zentrale Rolle in der Rezeption des Werkes.

Rochlitz war es auch, der – in einem Aufsatz „Mozart und Raphael“ in der Allgemeinen musikalischen Zeitung – die Grundlagen für eine Parallelisierung von Mozart und Raffael legte. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde es zum Topos, Mozart als „Raffael der Musik“ zu bezeichnen, als einen naiv komponierenden, heiteren Götterliebling, der alles veredelte, was er anfasste.[24] In dieser Tradition erschien das Requiem geradezu als Passion Mozarts – ebenfalls eine Verklammerung der mythisch aufgeladenen Biografie mit dem Werk.

Der Weg zur „Staatskomposition“

Zugleich etablierte sich das Werk früh als ein Musterbeispiel für das Erhabene in der Musik. So schätzte Johann Adam Hiller, Leiter der Musikübenden Gesellschaft am Leipziger Gewandhaus und Thomaskantor, auf den die oben erwähnte Aufführung vom 20. April 1796 zurückgeht, das Werk sehr hoch ein – nach Grubers Urteil deshalb, weil es „dem pathetischen Musikgeschmack am ehesten entsprach“.[25] Er überschrieb seine Kopie der Partitur mit „opus summum viri summi“ (höchstes Werk des höchsten Mannes). Vor allem aber unterlegte er einen deutschen Text und schuf so eine wichtige Voraussetzung dafür, das Werk von der kirchlichen in die säkulare Umgebung, den Konzertsaal, zu übertragen. Da Hiller bei seinen Aufführungen etwa von Händels Messiah dazu neigte, die Chöre sehr stark zu besetzen und damit einen Eindruck des Monumentalen zu schaffen, dürfte dies auch für die Requiem-Aufführung zutreffen.

In der Folge wurde das Requiem bereits früh im 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum und bald auch darüber hinaus zu einer förmlichen „Staatskomposition“.[26] 1800 wurde es in Berlin von der Singakademie bei der Totenfeier für ihren Stifter Carl Friedrich Christian Fasch aufgeführt – der dabei anwesende Jean Paul rühmte in einem Brief an Johann Gottfried Herderden Gegensatz zwischen „Mozartischen Donnerwolken“ und „Nachtigallengesang“.[27] 1803 erklang es bei der prunkvollen Totenfeier für Friedrich Gottlieb Klopstock, 1808–1810 bei den jährlichen Gedenkfeiern auf Schloss Ludwigslust für die verstorbene Herzogin Luise Charlotte zu Mecklenburg, 1812 in Wien bei der Enthüllung eines Denkmals für Heinrich Joseph von Collin und in Berlin bei der Totenfeier für die preußische Königinwitwe, in Frankreich und Neapel bei der Totenfeier für einen französischen General,[26] und später bei den offiziellen Totenfeiern für Ludwig van Beethoven, Frédéric Chopin und viele andere Musiker.

Romantische Kritik: E. T. A. Hoffmanns wegweisende Besprechung

Die Frühromantiker schätzten Mozarts Profanmusik großenteils sehr und gaben ihr Züge einer Kunstreligion. Das galt jedoch im Allgemeinen gerade nicht für seine Kirchenmusik, die im Zuge der romantischen Palestrina-Verehrung ebenso kritisiert wurde wie die Messen Joseph Haydns. Die klassische Kirchenmusik galt als zu weltlich, opernhaft und virtuos, sie verdecke somit die religiöse Botschaft. Ludwig Tieck etwa lässt in einem Dialog im Phantasus eine Figur räsonieren, die Musik sei „die religiöseste“ der Künste und könne „nicht pathetisch sein, und auf ihre Stärke und Kraft pochen, oder sich in Verzweiflung austoben wollen“. Das wird in der Folge direkt auf Mozart und das Requiem bezogen: „Ich müßte ohne Gefühl sein, … wenn ich den wundersamen, reichen und tiefen Geist dieses Künstlers nicht ehren und lieben sollte, wenn ich mich nicht von seinen Werken hingerissen fühlte. Nur muß man mich kein Requiem von ihm wollen hören lassen, oder mich zu überzeugen suchen, daß er, so wie die meisten Neueren, wirklich eine geistliche Musik habe setzen können.“.[28]

Kritik dieses Typs spielte in der Romantik und später im Cäcilianismus eine große Rolle; doch gerade in der bedeutendsten romantischen Besprechung wird das Requiem von dieser Kritik ausgenommen, nämlich in dem von E. T. A. Hoffmann in der Allgemeinen musikalischen Zeitung von 1814 veröffentlichten Aufsatz „Alte und neue Kirchenmusik“.[29] Hoffmann kritisierte hier vernichtend die „ekle Süsslichkeit“ der neueren Kirchenmusik und nahm davon auch die Messen Haydns und Mozarts nicht aus, die ohnehin Auftragswerke gewesen seien. Mozart habe „indessen in einem einzigen Kirchenwerke sein Inneres aufgeschlossen: und wer wird nicht von der glühendsten Andacht, von der heiligsten Verzückung ergriffen, die daraus hervorstrahlt? Sein Requiem ist wol das Höchste, was die neueste Zeit für den kirchlichen Cultus aufzuweisen hat.“ Die musikalische Begründung ist bemerkenswert: Mozart verzichte auf die „bunten, krausen Figuren“, die sonst so häufig als Verzierungen verwendet würden „wie aufgeklebte, knisternde Goldflitter“, und konzentriere die neuen instrumentatorischen Möglichkeiten der Wiener Klassik ganz auf die Verherrlichung des „echtkirchlichen“ Gefühls. Bezeichnenderweise kritisiert Hoffmann allein das Tuba mirum, die einzige Stelle, die solistischen Glanz ermöglicht, ja verlangt, als gar zu „oratorienartig“. Er fügt eine Bemerkung an, die sich kritisch auf die frühe säkulare und monumentalisierende Aufführungspraxis bezieht: „Das Requiem, im Concertsaal aufgeführt, ist nicht dieselbe Musik; die Erscheinung eines Heiligen auf dem Ball!“

Hoffmanns Text war in der Rezeptionsgeschichte sehr wirkungsmächtig und wurde immer wieder, direkt oder indirekt, zitiert. Noch bei Alfred Einstein findet sich die Bemerkung, der Soloposaunist im Tuba mirum mache den Eindruck, sich produzieren zu wollen, statt die Schrecken des Jüngsten Gerichts anzukündigen – und dies sei die problematischste Stelle des Requiems in Mozarts eigenem Notentext.[30] Und noch Nikolaus Harnoncourt hält Mozarts Requiem für „Mozarts einziges Werk mit autobiographischem Bezug“.[31]


Wolfgang Amadeus Mozart: Requiem in D minor (K.626) -- Live Version.

I. Introitus: Requiem aeternam (choir with soprano solo) (0:00)
II. Kyrie (choir) (5:28)
III. Sequentia:
- Dies irae (choir) (7:55)
- Tuba mirum (solo quartet) (10:02)
- Rex tremendae majestatis (choir) (13:47)
- Recordare, Jesu pie (solo quartet) (16:22)
- Confutatis maledictis (choir) (22:13)
- Lacrimosa dies illa (choir) (24:32) *
IV. Offertorium:
- Domine Jesu Christe (choir with solo quartet) (27:48)
- Versus: Hostias et preces (choir) (31:23)
V. Sanctus & Benedictus:
- Sanctus (choir) (35:46)
- Benedictus (solo quartet and choir) (37:46)
VI. Agnus Dei (choir) (42:50)
VII. Communio:
- Lux aeterna (soprano solo and choir) (46:03)

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